Brotfabrik Bonn wird 35!
Text: Guido Preuß
Von der Großbäckerei zum Kulturzentrum
Dort, wo wir heute professionelle – mitunter preisgekrönte – Kunst produzieren und präsentieren und sich Laien in vielerlei künstlerischen Ausdrucksformen erproben können, lag früher die „Brotfabrik Germania“. Von 1903 bis 1984 wurde hier Brot gebacken und in die Region, darüber hinaus, zweitweise sogar über die Landesgrenzen hinweg ausgeliefert. Nach einem Besitzerwechsel entschied die neue Besitzergeneration sich mangels Rentabilität gegen einen Weiterbetrieb. Zur selben Zeit, Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts, waren in Bonn freie Künstlergruppen und Studierende auf der Suche nach einem neuen Spielort. Es ging ihnen darum, Räume zu finden, die jenseits der etablierten Kultur Platz für Experimente boten. Kreative Prozesse und gesellschaftliches Engagement verbanden sich mit kulturellen Projekten. Neue Formen und Ausdrucksweisen wollten erkundet werden. Kunst und Kultur sollten als Teil der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung im Leben der Menschen selbstverständlich und für alle zugänglich werden. So schlossen sich mehrere Bonner Gruppen zusammen, gründeten den Traumpalast e.V. und mieteten 1985 den 1. Stock der stillgelegten Brotfabrik im Stadtteil Beuel an. Was während der Suche nach einem festen Standort zunächst als Provisorium gedacht war, wurde zum Kulturzentrum Brotfabrik Bonn – längst eine der wichtigsten Institutionen der sogenannten freien Szene der Stadt.
1986 startete unser regulärer Spielbetrieb mit einem Theaterprogramm. Diese wurde durch eine Anfangsertüchtigung des Gebäudes ermöglicht und durch die Kulturverwaltung der damaligen Bundeshauptstadt Bonn einmalig finanziert. So wurde aus dem täglich Brot der Nahrungsmittelerzeugung die heutige soziokulturelle Kultur-, Kunst- und Gesellschaftsbäckerei. Inzwischen blicken wir mit der Brotfabrik auf dreieinhalb Jahrzehnte soziokultureller Geschichte zurück. Der Träger des Gesamten ist nach wie vor der Traumpalast e.V.. Die Ziele unseres gemeinnützigen Vereins sind die Initiierung und Förderung soziokultureller Arbeit, die Ertüchtigung, Unterhaltung und Bereitstellung von Räumen, die einkommensunabhängige Begegnung unterschiedlichster Bevölkerungs- und Altersgruppen sowie ein umfassendes Wirken in die Stadtgesellschaft.
2020/21 haben wir, die Akteur:innen in der Brotfabrik die drastischen, Corona-bedingten Einschränkungen für ihre Betriebe und Existenzen dennoch kreativ genutzt, um das Kulturzentrum weiterzuentwickeln und einen gemeinsamen Entwicklungsprozess begonnen, der sich über die nächsten Jahre erstrecken wird. In einem ersten Schritt sind wir dabei wird im Erdgeschoss ein ehemaliges Getränkelager mit 283 Quadratmetern zur kulturellen Nutzung zu erschließen. Unser Motto zum 35-jährigen lautet: „Durchbruch in unsere Zukunft!“. Für Brotfabrikant:innen heißt das: Räume neu denken, nicht alles besser wissen, sondern Platz schaffen für Begegnung und Austausch, Unvorhergesehenes und Nichtkommerzielles – und vor allem für Menschen, die mit Ideen ins Haus kommen und Freiräume für kreative Verständigung suchen.
Alle in der Brotfabrik wirkenden Menschen möchten den Bonner Bürger:innen ein neues und zeitgemäßes Entree in ihre Stadtteilkultur bieten und sich auch für Menschen im gesamten Stadtgebiet und Umland Bonns öffnen, die bisher nicht mit Kunst und Kultur in Berührung gekommen sind. Seit 35 Jahren ist das Kulturzentrum Brotfabrik die Heimat unterschiedlichster Kulturschaffender und -anbieter. 2021 sind das in alphabetischer Reihenfolge: Bildungswerk Interkultur Brotfabrik, Bonner Kinemathek, Brotfabrik Bühne Bonn, Förderverein Filmkultur Bonn, Galerie Foyer // Brotfabrik, Kreative Werkstatt für Kinder und Jugendliche, KulturKneipe Brotfabrik, Tanzwerke Vanek Preuß, Theater Marabu und Ton25.
Text: Guido Preuß